Haus des Bürgers Simmerath

Wettbewerb 2024/25

URBANES ENSEMBLE

Unser Entwurf klärt die städtebauliche Situation am Rathausplatz und den bislang undefinierten Übergang zum Bürgerpark. Ein schmaler, länglicher Baukörper fasst die Raumkante des Rathausplatzes, ohne die Durchlässigkeit und den Bezug zum Park zu schwächen. Ein zweiter Baukörper wird in Flucht des Rathauses positioniert und integriert dieses in ein übergeordnetes urbanes Ensemble. Zwischen Altbau und Neubauten spannt sich ein Plateau auf, das das Ensemble zusammenbindet, den Blick in den Park inszeniert und eine neue Eingangssituation schafft. Flankierende Kolonnadengänge betonen den städtischen Charakter und die freie Zugänglichkeit für die Bürger*innen Simmeraths. An der Schnittstelle zwischen Stadt und Park entsteht ein „dritter Ort“ mit hoher Aufenthaltsqualität, Identität und Strahlkraft.

SCHWELLENRAUM

Die räumliche Hinführung in das jeweilige Haus erfolgt über den Schwellenraum der raumhaltigen Kolonnadenschicht und vermittelt über die hier direkt zugängliche Außentreppe die unterschiedlichen Geländeniveaus im Stadtraum. Diese aus der räumlich-transparenten Überlagerung von Außen- und Innenraum hervorgehende eigene Raumkategorie verkörpert die Kraft des Zwischenraumes mit all seinen Potentialen für Interaktion und Austausch. Darüber hinaus dient sie als Referenzzone für den städtischen Eingangsbereich. Der Platzraum agiert im Spannungsfeld der den Gebäuden vorgelagerten Kolonnaden und wird so zur „Visitenkarte“ des Rathauses. Damit blickt man, mit der Beschreibung unseres Entwurfes, gleichsam zwischen die Dinge. Es geht nicht um die Elemente und Formen an sich, nicht um die Räume, Bauteile oder Gebäude, sondern um die Beziehungen zwischen ihnen!

FACHWERK UND STEINSOCKEL

Der Baukörper gliedert sich in einen Sockelbereich aus Sichtbeton und einen Aufbau aus anthrazitfarbenem Lärchenholz. Der steinerne Sockel nimmt die natürliche Topographie auf und „erdet“ das Gebäude. Der Sichtbetonsockel aus recyceltem Beton schützt vor Bodennässe und hält mechanischer Beanspruchung, insbesondere im Bereich der Parkgarage bzw. Markthalle, langfristig stand. Die Holzschalung der Fassade in den Obergeschossen altert in Würde und schützt in bewährter Art und Weise jahrzehntelang unterhaltsfrei vor Wind und Wetter. Das gestalterische Prinzip folgt der Logik des Filigranbaus in der Verbindung linearer Bauteile und dem Massivbau mit flächenhafter Ausbildung von Wand und Decke. Farbgebung und Bauweise nehmen Bezug auf die Tradition des „schwarzen“ Fachwerkhauses in der Eifel.

UMGANG MIT DEM BESTAND

Das Bestandsgebäude bleibt in seiner Struktur weitgehend erhalten. Im Zuge der östlichen Fassadensanierung schlagen wir vor, die Kubatur durch eine Aufstockung im Südosten in Holzbauweise zu komplettieren. Eine neue, energetisch optimierte Fassadenstruktur wird im Osten bis zur Vorderkante der bestehenden Backsteinwand ergänzt. Die neue Fassade orientiert sich gestalterisch am Neubau und verstärkt den Ensemble-Charakter. Zur Anwendung kommt hierbei die Strategie der Kohärenz des neuen Ganzen, in der der Bestand als frei verfügbares und vor allem veränderbares Material für ein neues Ganzes verwendet wird. Zwar bleibt die alte Identität sichtbar, doch artikuliert sich das neu Geschaffene, wie bei einem Amalgam, als transformiertes drittes Ganzes, in dem die Kategorisierung von Alt und Neu keine Rolle spielt. Das so umgenutzte Gebäude ist weder betont alt noch betont neu, sondern trägt von beidem etwas in sich. Das Ergebnis ist eine Melange, in der sich die Zeitebenen durchdringen und die heterogenen Bestandteile von Alt und Neu ununterscheidbar zu einem neuen Gesamtprojekt als Einheit verschmelzen.

FASSADE

Raumhohe Fenster sind zu gleichen Teilen festverglast, teils als Schiebeelemente ausgebildet. Eine vorgesetzte Holzlamellenstruktur dient als Absturzsicherung, Einbruchschutz bei Nachtauskühlung und Sonnenschutz. Ein bewegliches Verschattungselement kann, zur individuellen Einstellung des Sicht- und Sonnenschutzes, je nach Bedarf manuell bewegt werden. Die solchermaßen durch den Nutzer steuerbare Filterung des Lichtes erzeugt ein breites Spektrum wandelbarer Atmosphären. Die tragende Holzkonstruktion aus massiven Holzstützen und Balken ist als solche nach außen hin „unverkleidet“ sichtbar. Alle außenliegenden Holzelemente erhalten eine seidig glänzende anthrazitfarbene Holz- und UV-Schutz-Lasur mit entsprechend erhöhtem Pigmentanteil. In Anlehnung an das zur Witterungsbeständigkeit karbonatisierte Holz traditioneller Holzhausarchitekturen Japans, und nicht zuletzt den vor Ort vorhanden Reminizenzen der überkommenen Fachwerke, geht es um den Referenzraum zu einer zeitlosen hochentwickelten traditionellen Holzarchitektur. Die Konstruktion des Plateaus mit Sitzbänken und Ausschnitten für Bäume und Beete wird als „fünfte Fassade“ ebenfalls aus massiven Holzdielen gefertigt. Auf der Basis von nur wenigen sorgfältig durchgearbeiteter Details entwickelt sich so eine präzise formulierte Körperlichkeit, die geradezu sinnlich erfahrbar wird. Hierbei geht es uns um die präzise Orchestrierung nicht nur visueller, sondern auch taktiler, olfaktorischer und akustischer Qualitäten.

NUTZUNGSKONZEPT

Bibliothek, VHS, Verwaltung, Bürgercafe, Jugendtreff und Vereinsraum sind autarke Einheiten mit separaten Zugängen. Das Rathaus wird über eine öffentliche Verbindung im Erdgeschoss sowie über ein interne Verbindung im 1.OG an den Neubau angebunden. Das Foyer mit Bürgercafe, das Trauzimmer und der Veranstaltungsraum orientieren sich zur gemeinschaftlich nutzbaren Außenterrasse mit der Möglichkeit einer Außenbestuhlung. Lärmintensivere Nutzungen wie Repair-Cafe, Jugendtreff und Vereinsraum sind im Sockelgeschoss zum Park hin orientiert. Die Parkgarage kann bei Bedarf als Markthalle umgenutzt werden. Die Verwaltung im 1.OG wird in zwei flexibel aufteilbare Nutzungseinheiten kompakt organisiert. Innenliegende Flurbereiche werden über Oberlichtverglasungen natürlich belichtet. Am Brückenübergang und vor dem Besprechungszimmer werden Aufenthaltsflächen für den informellen Austausch der Mitarbeiter angeboten. Die Bibliothek im 1.OG wird als eine frei bespielbare Nutzungseinheit organisiert. Nebenräume, Treppe und Büro sind in zwei eingestellten Holzmöbel verborgen, welche mit umlaufenden Regalwänden die „Bücherlandschaft“ zonieren.

BARRIEREFREIHEIT

Der große Niveauunterschied zwischen Rathausplatz und Marktplatz von ca. 4 Meter wird für Menschen mit eingeschränkter Mobilität durch einen Aufzug überwunden, der sich gut auffindbar bei der Außentreppe am Kolonnadengang befindet. Eine große Freitreppe mit Schieberampen westlich des langen Baukörpers erleichtert die Mitnahme von Fahrrädern und Kinderwagen.

BRANDSCHUTZKONZEPT

Erd- und Untergeschoss verfügen über direkte Fluchtwege ins Freie. Der Rettungsweg aus der Bibliothek im 1. OG erfolgt über eine außenliegende, luftumspülte „Sicherheitstreppe“. In der Verwaltung führt der 1. Fluchtweg über eine innenliegende Treppe mit Ausgang im UG, der 2. Fluchtweg über die Brückenanbindung an das Bestandsgebäude.

ENERGIEKONZEPT – NACHHALTIGKEIT - REGENWASSER

Die robuste Grundstruktur des Gebäudes soll eine möglichst lange Nutzungsdauer ermöglichen. Es werden ausschließlich natürliche Materialien aus der Region eingesetzt. Es erfolgt eine klare Systemtrennung von Rohbau und Ausbau. Die Befestigung aller baukonstruktiven Einbauten erfolgt demontierbar mittels verdeckt ausgeführter Schraubverbindungen. Alle Baustoffe können sortenrein voneinander getrennt und wiederverwendet werden. Verbundstoffe werden nach Möglichkeit vermieden. Die repetitive Struktur der Fassade und der Einsatz von vorfabrizierten, modularen Decken- und Wandsystemen garantieren eine optimierte wirtschaftliche Bauweise. Auf der Dachfläche sind PV-Anlagen optisch in die Architektur integriert um den Eigenbedarf an Strom zu decken. Die Installierbarkeit der technischen Gebäudeausrüstung ist einfach gehalten und erfolgt losgelöst von der Gebäudearchitektur. Sämtliche Niederschläge verbleiben auf dem Grundstück. Eine direkte Ableitung in die öffentliche Kanalisation ist nicht vorgesehen. Ein Anteil der Niederschläge soll dort, wo möglich, oberflächig in den Vegetationsflächen über die belebte Bodenzone versickert werden. Weiterhin ist mit entsprechend zu dimensionierenden Speichereinrichtungen (Zisternen), die Nutzung als Brauchwasser vorgesehen. Alle unterbauten Flächen werden zusätzlich als Retentionsdächer ausgebildet, um die notwendigen Rückhaltevolumina gem. DWA-A138 bzw. DIN EN 1986-100 auch im Überflutungsfall sicherzustellen. Das öffentliche Plateau sowie die Dachflächen werden intensiv begrünt und begünstigen das Mikroklima.

FREIFLÄCHENGESTALTUNG

Ein zentrales gestalterisches Element bildet die große Terrasse zwischen den beiden neuen Baukörpern der Bibliothek und der VHS. Die linear angeordneten Grün- und Freiraumstrukturen, bestehend aus Sitzelementen und Grünstreifen schaffen eine visuelle Verbindung zum angrenzenden, ca. vier Meter tiefer gelegenen Marktplatz. Die Terrasse dient als ökologisch und klimatisch wichtiger Ausgleichsraum auf Teilen der darunter liegenden Dachfläche der Tiefgarage und verbindet die angrenzenden klar strukturierten Freiräume. Von der mit Grünflächen gegliederten Terrasse hat man einen schönen Blick auf den Marktplatz und die dahinterliegenden Parkflächen. Der Marktplatz weist eine möglichst luft- und regenwasserdurchlässige Oberfläche auf. Diese besteht aus einem Rahmen aus Kleinsteinpflaster und einem zentralen Bereich für das Festzelt. Die Erschließung des Marktplatzes erfolgt über eine Treppenanlage mit integrierten Rampen an der Westseite des Geländes, sowie über die bestehenden Wegeführungen vom Park aus, die eine Anbindung an die Straßen „In den Bremen“ und „Fuggerstraße“ gewährleisten. Die landschaftliche Gestaltung des Parks und die zugehörigen Wegeverbindungen zielen darauf ab, die bestehenden Erschließungswege aufzunehmen und als deutlich ausgeformte Achsen mit dem neuen Marktplatz und dem Haus des Bürgers zu verbinden. Somit wird das Haus des Bürgers mit seinen angrenzenden Platzflächen eng verbunden mit den Straßen „zum Rathaus“, „In den Bremen“ und der „Fuggerstraße“. Die Robert- Koch-Straße wird verlängert und stellt eine neue Verbindung zur Straße „In den Bremen“ her. Der ehemalige Wendehammer wird als Erweiterung der Parkanlage genutzt. Die Andienung des Neubaus und des bestehenden Parkplatzes erfolgt von der Ostseite über die Robert-Koch-Straße. Die Aktivitäten im Park werden in einem „linearen Parkband“ an der Ostseite konzentriert. Dieser Bereich bietet eine Vielzahl von Nutzungsmöglichkeiten für unterschiedliche Altersgruppen, wie zum Beispiel einen schattigen Picknickbereich, einen Gemeinschaftsgarten, ein kleines Amphitheater für Kinder, Calisthenics-Angebote, einen Bouleplatz und Fahrradabstellplätze. Nordwestlich des Marktplatzes schließt ein Spielplatz mit verschiedenen Spielelementen für alle Altersgruppen an. Regenwasserkonzept: Das auf den Dachflächen anfallende Regenwasser wird über eine Retentionsebene auf den Dächern und den bebauten Flächen zurückgehalten, zwischengespeichert und verzögert abgeleitet. Das auf den Freiflächen anfallende Regenwasser sowie das überschüssige Regenwasser von den Dachflächen wird in großen, leicht abgesenkten Rasenmulden gesammelt. Diese Flächen dienen der Regenwasserrückhaltung und Verdunstung. Das Regenwasser wird über integrierte Abläufe in Zisternen zur Grauwassernutzung und zur Bewässerung der Pflanzflächen geleitet. Nicht genutztes Regenwasser wird in die Kanalisation oder, soweit möglich, in den angrenzenden Bleicherbach eingeleitet. Bepflanzung und Dachbegrünung: Die Gebäude erhalten eine extensive Dachbegrünung entsprechend den Richtlinien der Grünordnungsplanung. Bei der Auswahl der Pflanzen werden bevorzugt heimische, klimaangepasste Pflanzenarten verwendet. Auch bei den Dachflächen wird eine hohe Vielfalt an Pflanzenarten vorgesehen, die für Insekten nutzbar ist.

Auslober: Gemeinde Simmerath

Architekt:  Moeller Soydan

Landschaft: Topos Stadtplanung Landschaftsplanung Stadtforschung

Brandschutz: KLW-Ingenieure GmbH

Standort: Rathaus 1, 52152 Simmerath

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